Der Frauenfußball in Schwedt - Teil 1

Jubel über den gerade gewonnenen DDR-Meister Titel im Hallenfußball in Neubrandenburg 1980

Auszug aus "Schwedter Fußballhistorie", Dirk Sill, unveröffentlicht - copyright 2013: Kopieren, Archivieren, Veröffentlichen sind auch auszugsweise nicht gestattet, jegliche Verarbeitung in digitaler oder analoger Form bedarf meiner persönliche Genehmigung, Verstöße werden gemäß dem Urheberrecht verfolgt und geahndet.

Einen langsamen aber stetigen Aufschwung nahm der Frauenfußball in der ehemalige DDR ab Beginn der 70-er Jahre. Zu den profiliertesten Damenmannschaften zählten damals EAB 47 Berlin (gegr. 1970), Fortschritt Erfurt (gegr. 1970) und Turbine Potsdam (gegr. 1971). Die Potsdamerinnen zählen bis heute (Deutscher Meister und Pokalsieger 2004) zu den Spitzenteams. Mitte der 70-er Jahre gesellten sich andere Mannschaften dazu u.a. auch die Frauenfußballerinnen von Chemie PCK Schwedt.
Begonnen wurde in Schwedt mit dem Frauenfußball 1976 als sich einige junge Mädchen zum zwanglosen Fußballspiel in der Halle trafen. Erste Übungsleiter waren die Sportfreunde Prause und Werner, die das Training der rasch anwachsenden Mädchengruppe bei der damaligen BSG Erdöl in die Hand nahmen. Ab dem 4. April 1977 wurde dann das Unternehmen Frauenfußball offiziell. Der heimischen Öffentlichkeit stellte sich die junge Mannschaft (Altersdurchschnitt 15 Jahre) das erste Mal vor, als im Februar 1978 ein Hallenturnier veranstaltet wurde.
Ihr erstes Spiel im Freien, damals wurde noch 2x30 min und auf dem Kleinfeld gespielt, gewannen die jungen Damen gegen Traktor Plöwen mit 3:1. Anschließend siegte man bei Traktor Kruge mit 7:1, ehe man bei Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, der damals besten Mannschaft im Bezirk, die erste Niederlage mit 1:5 hinnehmen mußte.


Saisonbild 1978/79 - Foto: Annett Bischoff h.R.v.l.n.r.: Gabi Triebel, Diane Kienitz, Conny Starke, Cerstin Ney, Trainer Wolfgang Prause, D. Hamlock, Jutta Edelhoff, Ramona Schmidt, Adelheid Scholz v.R.v.l.n.r.: J. Laux, Heike Schiele, Birgit Bartsch, Trainer Rainer Hasse, Marion Mielke, Kerstin Lübbert, Astrid Schubert


Programmheft , erschienen zur DDR- Bestenermittlung der Frauen in Schwedt 1983

Mit zunehmender Trainingsintensität steigerte sich auch das Leistungsvermögen der Mannschaft rasant. Ab 1979 wurde dann auf dem Großfeld gespielt. Ihr 2. Spiel auf dem Großfeld wurde von den Chemie-Frauen gegen Fernsehelektronik Berlin mit 1:4 verloren.
Aus Mangel an Mannschaften wurden die Meisterschaften damals in Turnierform ausgetragen. Bei den Spielen um die Bezirksmeisterschaft (1979) gelang mit dem 0:0 im Hinspiel in Schwedt gegen den Favoriten Halbleiterwerk Frankfurt eine Überraschung. Im Rückspiel glich Marion Mielke die 1:0-Führung der Frankfurterinnen aus, sodaß eine Verlängerung nötig wurde. Durch einen Handelfmeter zum 2:1 sicherte sich Halbleiterwerk Frankfurt den Bezirksmeistertitel.
Nach dem Gewinn der Hallenbezirksmeisterschaft 1979 nahmen die jungen Mädels zum ersten mal an einer DDR-Hallenendrunde (in Neubrandenburg spielten 16 Mannschaften) teil. Dabei unterlagen sie in der Vorrunde dem späteren Turniersieger Post Rostock mit 0:2 und Chemie Leipzig mit 0:1. In der Zwischenrunde siegte man gegen den Cottbuser Vertreter mit 2:0 und unterlag nochmals Chemie Leipzig mit 1:3. Im Spiel um Platz 11 siegten die Frauen dann gegen den Berliner Meister Motor Köpenick mit 3:0. Sieger wurde wie erwähnt Post Rostock vor Turbine Potsdam und Motor Mitte Karl-Marx-Stadt.
Das häufige Hallentraining zahlte sich aus, und die schwedter Damen entwickelten sich zu einem regelrechten Hallenspezialisten. Bis 1984 wurde Chemie 6 mal Hallenbezirksmeister. Einer Sensation gleich kam der Sieg bei der DDR-Hallenendrunde 1980, die abermals in Neubrandenburg ausgetragen wurde. Daß dieser Titel keine Eintagsfliege war, bestätigte sich mit dem 3. Platz bei der DDR-Hallenendrunde 1981 in Karl-Marx-Stadt.
Doch die Erfolge blieben nicht nur auf das Hallenparkett beschränkt. Bis 1983 wurde 4 mal der Bezirksmeistertitel auf dem Großfeld gewonnen. Bei der 2. DDR-Bestenermittlung 1980 wurden die Chemie-Frauen Vierte, und endlich nahm auch die schwedter Öffentlichkeit von dieser Mannschaft verstärkt Notiz. Waren die Erfolge Anfang der 80-er in den Fachkreisen eher dem Zufall zugeschrieben worden, so zeigte der 2. Platz bei der DDR-Meisterschaft 1982 in Lauchhammer endgültig, daß dem nicht so war. Im Finale unterlag die Mannschaft mit einem Durschnittsalter von knapp 17 Jahren dem routinierten Abomeister Turbine Potsdam mit 0:3. Die Frauenmannschaft von Chemie hatte sich somit innerhalb von 2 Jahren in der DDR-Spitze etabliert. Von diesem größten Erfolg einer schwedter Fußballmannschaft existieren nach meinen Recherchen im Archiv in Berlin noch Fernsehbilder.


Szene aus dem DDR-Endrundenspiel (1983) Diane Kienitz (weiße Stutzen) blockt die Potsdamerin Sabine Seidel vor der Schwedter Torhüterin Astrid Bramow - Foto: Annett Bischoff


Die Arbeit in Schwedt wurde auch vom Deutschen Fußballverband der DDR anerkannt. Als Lohn für die bisherige sportliche Entwicklung wurde die Endrunde zur 5. DDR-Bestenermittlung der Frauen 1983 an die BSG Chemie PCK nach Schwedt vergeben. Sieger wurde einmal mehr Turbine Potsdam vor Wismut Karl-Marx-Stadt (dem einstigen und heutigen Chemnitz) und Chemie Schwedt.
Die Schwedterinnen hatten einen schwachen ersten Tag, spielten im Modus jeder gegen jeden in 1x40 min gegen EAB 47 Berlin 1:1 und verloren gegen Wismut Karl-Marx-Stadt mit 2:1. Die Steigerung am 2. Spieltag, mit dem 1:0-Sieg gegen Fortschritt Erfurt und dem 0:0 gegen Turbine Potsdam (Turbines einziger Punktverlust), brachte am Ende noch den 3. Platz.
Die Erfolge, 1984 wurde man ein letztes mal Hallenbezirksmeister, hatten danach ein abruptes Ende, als aus finanziellen Gründen die erfolgreichste schwedter Fußballmannschaft aufgelöst wurde. Hauptursache war wohl die gedrosselte Unterstützung der Sektion Fußball durch den Trägerbetrieb (PCK Schwedt) nach dem Ligaabstieg der 1. Männermannschaft 1984. Der Unbeteiligte kann sich nur in Ansätzen vorstellen, was in den Köpfen, der für die Auflösung Verantwortlichen, damals vorging. Die betroffenen Spielerinnen und Betreuer quittierten es mit Fassungslosigkeit und auch einige Fans zeigten dafür berechtigtes Unverständnis. Daß man eine erfolgreiche Mannschaft so einfach demontieren konnte, zeigt den damaligen Stellenwert des Frauenfußballs. Im DFV der DDR war der Frauenfußball der Kommission für Freizeit- und Erholungssport zugeordnet. Für die damaligen Spielerinnen sicher ein erniedrigender Fakt, den sie aus Spaß am Fußball verdrängen konnten.
Zwischen 1978 und 1983 (bis einschließlich Endrunde in Schwedt) trug Chemie insgesamt 152 Spiele aus von denen 109 gewonnen wurden, 15 mal trennte man sich vom Gegner unentschieden und 28 mal wurde verloren. Rekordtorschützin wurde Jutta Edelhoff. Zu den weiteren Stützen der Mannschaft zählten die Sportfreundinnen Mielke, Schiele, Dost, Ney u.a. Erst in den frühen "Nachwendejahren" wurde der Frauenfußball in Schwedt wieder reaktiviert.
(Ende Teil 1 - wird fortgesetzt)


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